Anorganisches Cold-Box-Bindersystem für hybride Kernpakete im Eisenguss
Timm Ziehm
ASK Chemicals GmbH
In den letzten zwei Jahrzehnten haben heißhärtende, anorganische Bindersysteme aufgrund ihrer positiven Einflüsse auf die Gussteilqualität und das Gießerei- und Kernmachereiumfeld, eines verbesserten EHS-Fußabdrucks sowie verringerter Wartungskosten einen nennenswerten Marktanteil im Bereich des Aluminiumgroßseriengusses erreicht. Insbesondere die für Zylinderköpfe, Zylinderblöcke, E-Motorengehäuse und Fahrwerksbauteile benötigten Kerne können mit vergleichbarer Taktzeit wie mit dem Polyurethan-Cold-Box-Verfahren produziert werden. Es gibt seit einer Dekade Bestrebungen die heißhärtenden, anorganischen Binder für Serienanwendungen im Eisenguss einzusetzen, jedoch fehlt der nachhaltige Durchbruch bis zum heutigen Tage. Ein Einsatz bei kleineren Seriengrößen ist aufgrund der signifikanten Kosten für beheizte Kernwerkzeuge unwirtschaftlich. Da immer restriktivere Emissionsgrenzen den Druck auf eine Vielzahl von Gießereien erhöhen, die in der Regel Gussteile mit geringeren Losgrößen produzieren, ist es erforderlich, eine Brückentechnologie zu entwickeln, die den Gießereien einen Fortbestand ohne übermäßige Investitionen in Anlagen- und Werkzeugtechnik ermöglicht.
Zusammen mit einer Partnergießerei soll das Wasserglas-CO2-Verfahren so weiterentwickelt werden, dass die daraus produzierten Kerne existierende Wasserglas-CO2-Kerne sowie PUR-Cold-Box-Kerne ersetzen können. Die Formstoffmischungen in der Serienproduktion sorgen durch ihre organischen Bestandteile jedoch noch für einen signifikanten Teil der Emissionen sowie des TOC-Eintrags in das Grünsand-Formstoffsystem. Aufgrund dessen verfolgt dieser Ansatz zwei Hauptziele:
Erstens sollen vorhandene Wasserglas-CO2-Anwendungen, die insbesondere in Eisengießereien organische Zerfallsadditive erfordern, durch eine anorganische Alternative ersetzt werden.
Zweitens ist es das erklärte Ziel, mit diesen modernen anorganischen Cold-Box-Verfahren einfachere PUR-Cold-Box-Kerne zu ersetzen. Diese Kombination, insbesondere im Zusammenspiel mit emissionsreduzierten, teilanorganischen PUR-Cold-Box-Systemen, führt zu einer Reduzierung der Gesamtemissionen sowie einer Verbesserung der Arbeitsplatzbedingungen in der Kernmacherei, an der Gießstrecke sowie im gesamten Umfeld der Gießerei. Zudem wird durch eine geringere organische Fracht im Abgasstrom das Risiko brennbarer Ablagerung in Abluftleitungen reduziert. Der Einsatz eines hybriden Kernpaketkonzepts ist nicht neu, jedoch blieben bisherige Versuche, den organischen Anteil in Wasserglas-CO2-Kernsandadditiven bedeutsam zu reduzieren, ohne durchschlagenden Erfolg.
Diese ehrgeizigen Ziele sollen durch die Kombination des Wasserglas-CO2-Verfahrens mit dem Know-How der letzten zwei Jahrzehnte im Bereich heißhärtender, anorganischer Bindersystem erreicht werden. Der häufig geäußerte Anspruch an neue Bindersysteme: „Wenn, dann richtig. 100% oder gar nicht.“, steht der Weiterentwicklung und dem Fortbestand der Gießereiindustrie in Europa mittelfristig im Wege. Stattdessen sollte man das Pareto-Prinzip beherzigen, wonach mit 20% Aufwand schon 80% des Ergebnisses erreicht werden könne. Es ist nicht verwerflich, filigrane Kerngeometrien weiterhin mit leistungsfähigen, organischen Bindersystemen zu fertigen, solange ein signifikanter Anteil voluminöser Kerne emissionsreduzierte Kernbinder nutzt. Es ist wenig sinnvoll, ganze Technologien aufgrund einzelner Anwendungslücken zu vernachlässigen.
Die Untersuchungen im Formstofflabor und in der Versuchsgießerei schließen neben den unterschiedlichen Produkten insbesondere die Bindermenge und Zusammensetzung unterschiedlicher Additive ein. Es werden Sofort- und Endfestigkeiten, Feuchtestabilität, Kernzerfall und Fließfähigkeit ermittelt sowie die C-Gehalte gegenübergestellt. Die besten Ergebnisse mit rein anorganischen Zusammensetzungen werden dann in der Partnergießerei an ausgewählten Kernen auf ihre Skalierbarkeit begutachtet.